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„Wir sind mehr als ein Denkmal!“

Lokales Team Rayerschied
Datum:
4. Sept. 2024
Von:
Markus Koch

Lokales Team Rayerschied gestaltet das Glaubensleben der kleinen Hunsrückgemeinde mit

Rayerschied: Es ist viel im Umbruch in der katholischen Kirche in Deutschland: Missbrauchskandale, und damit verbunden hohe Austrittszahlen, immer weniger Menschen besuchen die Gottesdienste, Pfarreizusammenlegungen und nicht nur weniger Priester, sondern es besteht auch ein Mangel in allen hauptamtlichen Seelsorgeberufen. Damit Glaubensleben vor Ort weiterhin möglich sein kann, braucht es Menschen vor Ort, die aktiv das Glaubensleben gestalten. In Rayerschied hat sich ein lokales Team gebildet, dass mit innovativen Ideen immer wieder Angebote entwickelt, um wieder mehr Menschen zu erreichen.

Der Tisch ist mit vielen Knabbereien reich gedeckt bei Andrea Sehn-Henn aus Benzweiler. Doch der erste Blick täuscht. Drei Frauen und ein Mann haben sich hier nicht in gemütlicher Runde an einem heißen Sommerabend versammelt, sondern sie bereiten eine Veranstaltung vor. Erst auf dem zweiten Blick ist der Laptop auf dem Tisch zu erkennen. Es steht der Tag des offenen Denkmals, der jedes Jahr am zweiten Sonntag (in diesem Jahr am 08.09.2024) im September stattfindet, an: „Wir haben eine der schönsten Kirchen im Hunsrück, doch dieses Gebäude ist vielen unbekannt.“, bemerkt Ulrike Nerkamp aus Rayerschied. Seit zwei Jahren beteiligt man sich an der Initiative. Von 13:00 bis 17.00 Uhr hat man die Kirche für interessierte Besucher geöffnet, Es gibt fachkundige Führungen oder einfach nur eine Gesprächsmöglichkeiten mit den Ehrenamtlichen vor Ort. Erstmals findet dieses Jahr ein Abendlob um 18:00 Uhr statt, der sich thematisch mit der reichhaltigen Symbolik in der Rayerschieder Kirche auseinandersetzt: „Vorbild sind für uns die Andachten zu den Chagall-Fenstern in der Kirche St. Stephan in Mainz. Hier finden nicht nur regelmäßige Führungen dazu statt, es gibt auch Andachten die sich mit den Inhalten der Fenster in einer spirituellen Weise befassen.“, bemerkt Gastgeberin Andrea Sehn-Henn. Sie fungiert auch als Ansprechpartnerin der kleinen Gruppe und hat für das Abendlob mit der Musikgruppe „Impulse“ aus Argenthal, die musikalische Begleitung, organisiert.

Chorbogen Thema des Abendlobes

Hinter den Personen stehen persönliche Schicksale

Im Mittelpunkt der Abendandacht steht der imposante Chorbogen der neugotischen Kirche St. Johannes Nepomuk Rayerschied. Hierbei geht es um das Leid der Menschen in der damaligen Zeit und dass man bei Gott Stärkung für das beschwerliche Leben bekommt. Das gilt aber auch für heute, nach fast 130 Jahren des Kirchenbaus. Krankheiten, ein hartes Leben macht auch heute den Menschen zu schaffen. Im Chorbogen wurden Szenen aus der harten Lebenswelt von damals bildhaft dargestellt. Mit Bezügen zur Neuzeit setzte sich die Gruppe auseinander und entwarf passende Texte dazu in Eigenregie: „Dabei erfährt die Gruppe immer wieder auch Neues.   So ist ein Jugendlicher mit Krücken dargestellt. Über sein Schicksal wurde auch in der Hunsrück-Zeitung vom 26. August 1897 berichtet: „Der 13jährige Sohn des Fuhrmanns Holler aus Rheinböllen fuhr von Rheinböllen einen Wagen mit Sand nach Rayerschied. Als der junge Bursche im Begriff war, am vorderen Teil des Wagens die Bremsvorrichtung zuzudrehen, geriet er unter ein Rad und kam so unglücklich zu Fall, dass ihm der schwerbeladene Wagen über Arm und Fuß fuhr, welche Körperteile vollständig zerquetscht wurden, so dass vielleicht eine Amputation notwendig ist.“

von Pfarrer Thomas Schneider inspiriert

Es ist aber nicht das erste Mal, dass das lokale Team solche Gottesdienste organisiert. So werden nicht nur Andachten in der Kirche angeboten, sondern auch unter freiem Himmel, zum Beispiel auf den Sportplätzen in Benzweiler und Pleizenhausen. Auch Angebote in Verbindung mit örtlichen Vereinen oder Kommunen werden entwickelt. So beteiligte man sich mit einer ökumenischen Andacht bei einer Baumpflanzaktion im Rayerschieder Wald oder man feiert Gottesdienste in Verbindung mit dem Weihnachtsmarkt in Rayerschied.

Viele Ideen wurden in der Vergangenheit vom im Frühjahr verstorbenen Pfarrer der Pfarrei Simmern-Rheinböllen St. Lydia Thomas Schneider beigesteuert, der die Gruppe jahrelang begleitete: „Sein Engagement soll weitergehen, soll Früchte tragen!“, betont Angelika Dötsch. Die Lehrerin aus Freiburg, die in den Schulferien immer wieder in Benzweiler ihre Urlaube verbringt, macht zum ersten Mal mit. Offen ist die Gruppe für Menschen, die mitmachen, sei es nur für ein Projekt oder auch längerfristig.

Menschen vor Ort sind Schatz für die Kirche

Dass ein solches Engagement kein Notnagel ist, weil Hauptamtliche in der katholischen Kirche fehlen, betont Markus Koch aus Rayerschied, der als einziger Mann die Gruppe unterstützt: „Viele Ehrenamtliche kennen die Menschen vor Ort, weiß wie sie denken und was sie bewegt. Solche Informationen werden leider von offizieller Seite zu wenig abgefragt. Das ist aber ein Schatz, den es zu entdecken gilt.“

Wunsch nach mehr Ökumene

Was wünscht sich die Gruppe für die Zukunft: „Wir wünschen uns mehr ökumenische Zusammenarbeit, nicht nur auf der Ebene der Hauptamtlichen. Die Zeiten, dass in den kleinen Hunsrückdörfern jede Konfession ihr eigenes Ding macht, sind lange vorbei“, sind sich alle Mitlieder im lokalen Team einig.

  • Die Kirche in Rayerschied ist am 8. September von 13.00 – 17.00 Uhr zur Besichtigung geöffnet, um 18.00 Uhr gibt es das Abendlob mit der Musikgruppe Impulse aus Argenthal, im Anschluss gibt es bei einem kleinen Abendimbiss die Möglichkeit zur Begegnung.
  • Mehr Infos zum lokalen Team Rayerschied gibt es bei Andrea Sehn-Henn unter der Telefonnummer: 06766/8258 oder auf st-lydia.de